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Wirtschaftsumfeld | China | Regionalstruktur

Greater Bay Area bleibt ein geteilter Wirtschaftsraum

Hongkong und Macau leiden unter den Grenzschließungen. Das chinesische Festland entwickelte sich 2021 hingegen positiv. Doch 2022 droht auch in China eine Abkühlung.

Von Roland Rohde | Hongkong

Die Greater Bay Area (GBA) im südlichen Teil von China existiert seit nunmehr zwei Jahren faktisch nur noch auf dem Papier. Das liegt vor allem daran, dass infolge der Covid-19-Pandemie eine Art eiserner Vorhang durch die Region verläuft, der den freien Personenverkehr schwierig macht. Immerhin funktioniert der Warentransport ohne größere Einschränkungen.

Die GBA besteht aus neun besonders fortschrittlichen Städten und Kreisen auf dem chinesischen Festland, die auch als Perlflussdelta bezeichnet werden. Hinzu kommen die Sonderverwaltungsregionen (SVR) Hongkong und Macau. Zwischen den beiden SVR und China besteht eine Grenze, die regulär problemlos passiert werden kann. Seit dem Auftreten des Coronavirus und den damit verbundenen Einschränkungen ab Anfang 2020 geht das entweder gar nicht oder aber Reisende müssen mehrere Wochen Hotelquarantäne auf sich nehmen.

Hongkong und Macau spüren Ausbleiben der Touristen

Die ökonomischen Konsequenzen sind drastisch. In Macau, dessen Wirtschaft sich fast ausschließlich auf das Glücksspiel und den Fremdenverkehr spezialisiert hat, war das Bruttoinlandsprodukt 2020 quartalsweise um zwei Drittel zurückgegangen. Infolge von Reiseerleichterungen für Touristen vom chinesischen Festland ging es seit dem Spätsommer 2021 wieder aufwärts. Doch die Ankunftszahlen verharren seitdem etwa auf einem Fünftel des Vorkrisenniveaus.

In Hongkong, dessen Wirtschaft breiter aufgestellt ist, waren die Auswirkungen weniger drastisch. Der boomende Außenhandelssektor sorgte 2021 zudem für viel Rückenwind. Doch große Teile des Einzelhandels spüren weiterhin schmerzhaft das Ausbleiben der Einkaufstouristen. Unternehmer der SVR, die Zehntausende von Fabriken auf dem chinesischen Festland betreiben, klagen wiederum darüber, dass sie die Standorte in China nicht mehr aufsuchen können.

Arbeitnehmer können nicht mehr pendeln

Darüber hinaus ist die Lebensplanung vieler Menschen beiderseits der Grenze geplatzt. Vor der Coronapandemie war es üblich, in Shenzhen zu leben, aber in Hongkong zu arbeiten oder die Schule zu besuchen. Auch umgekehrte Fälle gab es zuhauf. Pendeln ist nun nicht mehr möglich; Arbeitnehmer müssen sich für einen Lebensmittelpunkt entscheiden. Die Folgen sind etwa Schul- und Arbeitsplatzwechsel sowie Wohnungsverkäufe.

In Shenzhen wohnen, in Hongkong arbeiten und umgekehrt – das vor der Pandemie gängige Lebensmodell ist gescheitert.

In dem Teil der GBA, der auf dem chinesischen Festland liegt, spürte man von der Grenzschließung ökonomisch betrachtet wenig. Der Außenhandel, das wichtigste Standbein, florierte das gesamte Jahr 2021 hindurch. Fabriken hatten alle Hände voll zu tun, die globalen Lieferengpässe zu beseitigen. Manche Firmen mussten im Herbst 2021 angesichts von Stromrationierungen in einigen Provinzen sogar Aufträge ablehnen.

Keine baldige Grenzöffnung zu erwarten

Sowohl 2020 als auch 2021 gab es mehrere Initiativen zur Öffnung der Grenzen, die aber nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen wurden, beziehungsweise gar nicht erst in Kraft traten. Für das Jahr 2022 angekündigte Reiseerleichterungen kommen vorerst nicht zum Tragen. Die neue Omikron-Variante breitet sich seit Dezember 2021 in China aus. Auch in Hongkong werden nach langer Zeit wieder lokale Infektionen verzeichnet.

Letztendlich wird es 2022 wohl keine groß angelegte Grenzöffnung geben, die Impfsituation lässt dies nicht zu. In China ist die Bevölkerung ausschließlich mit einheimischen Vakzinen geimpft, die laut Experten weniger effektiv sind als mRNA-Präparate. Hongkong wiederum enttäuscht mit geringen Impfquoten, insbesondere Senioren verweigern sich. Weniger als 20 Prozent der über 80-Jährigen waren Anfang Januar 2022 doppelt geimpft. Gerade einmal 3 Prozent hatten sich boostern lassen.

Konsumlaune in China trübt sich deutlich ein

Die ökonomische Lage in der ehemaligen britischen Kolonie dürfte sich 2022 zwar leicht bessern. Doch erst eine Grenzöffnung kann den Umschwung bringen. Im Teil der GBA auf dem chinesischen Festland stehen die Anzeichen nach einem wachstumsstarken Jahr 2021 auf Abkühlung. Durch das Wiederaufflackern der Pandemie und die Evergrande-Krise hat sich die Konsumlaune stark eingetrübt. Der Außenhandel dürfte sich zunächst weiter positiv entwickeln, noch sind zahlreiche Lieferrückstände abzuarbeiten. Das größte Risiko für die Konjunktur stellen potenzielle Lockdowns von Container- und Flughäfen dar.

Das größte Risiko für die Region stellen mögliche Schließungen von Containerhäfen und Airports dar.

Selbst wenn die Grenzen zwischen China und Hongkong wieder völlig durchlässig sind, bleibt die Frage, ob sich Familien jemals wieder auf eine Lebensplanung wie vor der Covid-19-Pandemie einlassen werden. Letztendlich hat die GBA ihre erste große Bewährungsprobe nicht bestanden. Was eigentlich zusammenwachsen sollte, ist durch Corona und die Grenzschließung auseinandergedriftet.

Lieferketten bleiben angespannt

In einer Hinsicht konnte sich die GBA aber behaupten: Der Warentransport über die Grenze funktionierte ohne größere Einschränkungen, vor allem, weil Lkw-Fahrer von der Quarantäne ausgenommen sind. Dies gilt allerdings nicht für Schiffsbesatzungen, was vor allem den Zubringerverkehr innerhalb der GBA behindert. Reeder haben bereits Ende 2021 angekündigt, Feederdienste bis zum Chinesischen Neujahr im Februar 2022 nicht mehr zu bedienen.

Hongkong strich zum Jahreswechsel 2021/22 außerdem die Regelungen zur Quarantäneerleichterung für einheimische Flugzeugbesatzungen. Die Regierung untersagte für mindestens zwei Wochen Flüge aus acht Ländern, unter anderem aus Frankreich, den USA und dem Vereinigten Königreich. Cathay Pacific kündigte daraufhin an, seine Frachtflüge um zwei Drittel reduzieren zu müssen. Der Metropole drohen damit in bestimmten Bereichen Versorgungsengpässe. Die genannten Entwicklungen wirken sich auch auf die globalen Lieferketten negativ aus. Für ausländische Einkaufsbüros bleibt die Situation angespannt.

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