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Branchen | Polen | Kernkraft

Erster Atommeiler entsteht bei Danzig

Polen will sein erstes Atomkraftwerk an der Ostsee bauen, weitere sind geplant. Mehrere Akteure setzen außerdem auf kleine Kernreaktoren, auch bei abzuschaltenden Kohlekraftwerken.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Polen unterstützt Bestrebungen in der Europäischen Union (EU), die Atomenergie als „grün“ einzustufen und daher zu fördern. Die Entscheidung für den Standort des ersten Atomkraftwerks (AKW) fiel noch Ende 2021. Es wird in Choczewo gebaut werden, ein gut 70 Kilometer nordwestlich von Gdańsk (Danzig) in einer beliebten Touristengegend an der Ostseeküste gelegener Ort. Der erste Reaktor des AKW soll 2033 ans Netz gehen.

Zuvor muss die ausführende Polnische Atomkraftwerke GmbH, Polskie Elektrownie Jądrowe Sp. z o. o. (PEJ), jedoch noch einige Hürden nehmen. Den erforderlichen Umweltschutzbericht will die staatseigene PEJ im 1. Quartal 2022 einreichen. Auch Nachbarländer können sich dann dazu äußern. Zuvor muss das Wasserrecht geändert werden, zudem stehen verschiedene Verwaltungsentscheidungen noch an. 

Außerdem werden derzeit die Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung von Investitionen in die Kernenergie novelliert, die von einem Spezialgesetz (specustawa jądrowa) begleitet werden. Dieses erlaubt die Umgehung sonst gültiger Prozeduren, wodurch sich der Investitionsprozess um ein bis anderthalb Jahre verkürzen soll. Der Baubeginn des AKW ist für 2026 vorgesehen.

Sechs Kernreaktoren geplant

Von 2033 bis 2043 sollen insgesamt sechs Kernreaktoren ans Netz gehen, mit einer Gesamtkapazität von 6 bis 9 Gigawatt. Geplant sind entweder zwei AKW mit je drei Reaktoren oder drei AKW mit je zwei Reaktoren. Als weitere mögliche AKW-Standorte werden die Braunkohlegemeinden Pątnów und Bełchatów im Zentrum des Landes genannt. Noch wurde nicht entschieden, wie viele Reaktoren in Choczewo errichtet werden sollen. Die Gemeinde muss ohnehin stark in die Stromverteilung investieren, da in der nahen Ostsee Offshore-Windräder geplant sind. Die Kosten für den Bau der sechs Reaktoren veranschlagt das Polnische Wirtschaftsinstitut (Polski Instytut Ekonomiczny, PIE) auf 23 Milliarden Euro.

Die Strategie zur Energiepolitik Polens bis 2040 (Polityka Energetyczna Polski do 2040, PEP2040) ergänzt das Programm der polnischen Kernenergie (Program polskiej energetyki jądrowej, PPEJ). In der PEP2040 wird der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung in Polen bis zum Jahr 2040 auf 16 Prozent veranschlagt.

An einer Kooperation beim Bau großer Kernreaktoren zeigen sich Unternehmen aus Frankreich, den USA, Korea (Rep.) und Japan interessiert. Der französische Energiekonzern EdF bot der polnischen Regierung im Oktober 2021 an, vier bis sechs European Pressurized Reactors (EPR) mit einer installierten Gesamtkapazität von 6,6 bis 9,9 Gigawatt (GWe) zu errichten. Anfang Dezember 2021 vereinbarte EdF mit mehreren polnischen Firmen eine einschlägige Kooperation. Zu diesen Firmen gehören Dominion Polska, Egis Poland, Energomontaż-Północ Gdynia, Rafako und Zarmen.

Auch die US-amerikanische Westinghouse Electric Company will sich engagieren. Nach Angaben von Mirosław Kowalik, Vorsitzender von Westinghouse Electric Poland, plant der Konzern in Polen Technologie für die Kernenergie im Wert von 18 Milliarden US-Dollar, das sind knapp 16 Milliarden Euro, zu verkaufen. Das Unternehmen will sechs Reaktoren (AP1000) mit einer Gesamtkapazität von 6 bis 9 Gigawatt bauen. Gemäß einem bereits 2020 geschlossenen bilateralen Abkommen muss das Angebot bis August 2022 vorliegen.

Interesse an kleinen Reaktoren

Die polnische Regierung präferiert den Bau großer AKW. Verschiedene Unternehmen haben aber auch ihr Interesse an kleinen Reaktoren bekundet, speziell am BWRX-300 mit 300 Megawatt von GE Hitachi Nuclear Energy. Solche kleinen AKW werden jedoch erst erprobt, die Technologie ist noch nicht ausgereift. In Polen könnten sie auch an die Stelle von Kohlekraftwerken treten.

Besonders aktiv im Bereich kleiner Kernreaktoren ist das Chemieunternehmen Synthos S.A. Um hier voranzukommen, will Synthos mit dem Erdölkonzern PKN Orlen das Joint Venture Orlen Synthos Green Energy gründen. Laut GE Hitachi könnte die Hälfte der Baukosten für einen BWRX-300 mit Lieferungen aus Polen abgedeckt werden. Hier könnten vor allem Turbinen, Generatoren und Hydrauliksysteme beschafft werden. Auch der Konzern Ciech S.A. will mit Synthos Green Energy kooperieren. Der Chemieriese schließt nicht aus, an seinem Standort in Inowrocław (Hohensalza) ein kleines AKW zu errichten.

Weiternutzung von Kohlestandorten

Der Inhaber der Synthos S.A. Michał Sołowow verfolgt darüber hinaus die Idee, mit dem polnischen Unternehmer Zygmunt Solorz in Pątnów auf dem Gelände der Braunkohle verfeuernden Kraftwerksgruppe ZE PAK (Zespół Elektrowni Pątnów-Adamów-Konin) Kernenergie zu nutzen. Mit modernster US-Technologie könnten vier bis sechs Reaktoren mit je 300 Megawatt entstehen. Die Baukosten von sechs Reaktoren veranschlagt Sołowow auf insgesamt 4,8 Milliarden Euro. Solorz ist Eigentümer des TV-Senders Polsat, zudem ist er mehrheitlich an der ZE PAK beteiligt.

Das Kupferkombinat KGHM Polska Miedź unterzeichnete mit der US-Firma NuScale Power im September 2021 eine Vereinbarung zum Bau kleiner modularer Reaktoren. Dabei geht es zum einen um das Repowering bestehender Kohleturbinen, womit sich das polnische Unternehmen Unimot befassen will. Zum anderen sollen neue Kernreaktoren gebaut werden. Benötigt werden laut dem Vorsitzenden von KGHM Polska Miedź, Marcin Chludziński, mindestens vier solche Reaktoren. Der erste solle 2029 ans Netz gehen. Auch die Stickstoffbetriebe Grupa Azoty S.A. zeigen sich an kleinen Kernkraftwerken interessiert.

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