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Wirtschaftsumfeld | USA | US-Präsident unterzeichnet Klima- und Sozialpaket

Was das US-Klimapaket deutschen Exporteuren bringt

Mit dem Klima- und Sozialpaket fließen Milliardeninvestitionen in grüne Technologien. Der deutschen Exportwirtschaft bietet das Gesetz aber kaum neue Geschäftschancen. Warum?

Von Ullrich Umann | Washington, D.C.

US-Präsident Joe Biden hat am 16. August 2022 den Inflation Reduction Act of 2022 unterzeichnet. Das sogenannte Inflationsbekämpfungsgesetz sieht Gesamtausgaben von 725 Milliarden US-Dollar (US$) vor. Allein das Kapitel Klimaschutz umfasst einen Finanzierungsrahmen von 374 Milliarden US$. Die Mittel sollen im Laufe von zehn Jahren unter anderem in Steuergutschriften für Käufer von Elektrofahrzeugen, grünen Technologiegütern und Ökostrom fließen. Zudem sind staatliche Zuschüsse für klimafreundliche Projekte vorgesehen. Mit dem Gesetz verfolgt die US-Regierung auch das Ziel, die Abkehr von teurer fossiler Energie zu beschleunigen.

Kaum Geschäftschancen für deutsche Exporteure

Der deutschen Exportwirtschaft bietet das Gesetz jedoch kaum zusätzliche Geschäftschancen. Liefermöglichkeiten, etwa für Bauteile für Wind- und Solarparks, ergeben sich für Hersteller aus Deutschland lediglich dann, wenn in den USA kein analoges Produkt zu vergleichbarer Qualität bezogen werden kann. Denn die im Gesetz gewährten Steuergutschriften und Zuschüsse sind an nationale Lieferklauseln gebunden.

Der Botschafter der Europäischen Union (EU) in Washington, D.C., Stavros Lambrindis, warnte in einer ersten Stellungnahme davor, dass sich aus dem Inflationsbekämpfungsgesetz ein neues transatlantisches Handelshemmnis ergeben könnte. So würden nach den neuen Bestimmungen Elektroautos aus der EU gegenüber amerikanischen Modellen auf dem US-Markt preislich schlechter gestellt.

Protektionismus beim Einsatz von Steuergeld

Botschafter Lambrindis wies darauf hin, dass die derzeitige Ausgestaltung der Steuergutschrift für E-Fahrzeuge ganz offen bestimmte rohstoffreiche Länder sowie die nordamerikanische Batterieproduktion und Fahrzeugmontage begünstige. "Sie diskriminiert daher direkt EU-Produkte, die in die USA exportiert werden."

Speziell bezieht sich der EU-Botschafter auf die aktualisierten Steuergutschriften beim Erwerb von Elektrofahrzeugen. Um eine Steuergutschrift zu erhalten, müssen mindestens 40 Prozent der Rohmetalle und Mineralien, die in der Batterie verwendet werden, in den USA abgebaut und raffiniert worden sein. Oder in Ländern, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen geschlossen haben, wie Australien und Chile.

So fördert das neue Gesetz Elektroautos

Das neue Klimapaket sieht allein Ausgaben von 80 Milliarden US$ vor, um den Kauf von E-Fahrzeugen zu fördern. Die staatlichen Hilfen werden in Form von Steuergutschriften für Käufer gewährt:

  • 7.500 US$ für Kauf von neuem Pkw unter 55.000 US$;
  • 7.500 US$ für Kauf von neuem Pickup unter 80.000 US$;
  • 4.000 US$ für Kauf von gebrauchtem E-Fahrzeug;
  • bis zu 40.000 US$ für Kauf von elektrischen Sattelschleppern und schweren Lkw

Auch Elektrotechnik von den engen Förderkriterien betroffen

Analoge Regeln bestehen für Steuergutschriften für den Erwerb von Windturbinen, Solarzellen und anderen sauberen Energietechnologien. Auch diese müssen in den USA gefertigt sein. Das Weiße Haus möchte nach eigenen Worten die Abhängigkeit der USA von China verringern und die Inlandsfertigung ankurbeln. Doch bleiben gleichzeitig auch Hersteller aus der EU außen vor.

Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, wie die in dem Gesetz formulierten ehrgeizigen nationalen industriepolitischen Ziele sowie Klimavorgaben überhaupt erreicht werden können, sollten die heimischen Lieferketten nicht schnell genug hochgefahren werden.

US-Produkte können Anforderungen nicht immer erfüllen

Zwar haben die Automobilhersteller mit dem Bau von Montagewerken für Elektrofahrzeuge und Batteriefabriken in den Vereinigten Staaten begonnen. Doch erfüllen nur wenige der vor Ort hergestellten Fahrzeuge die Anforderungen von 40 Prozent lokaler Förderung und Raffinierung von Batteriematerialien - zumal die Zielvorgaben um jährlich 10 Prozent steigen sollen.

Für die Einrichtung inländischer Lithiumminen gehen nicht nur Monate, sondern Jahre ins Land. So müssen Bergbauunternehmen große Anstrengungen unternehmen, um Fördergenehmigungen in überschaubaren Zeiträumen zu erhalten. Gleichzeitig gilt es, lokale Widerstände zu überwinden, die sich oft in Gerichtsverfahren manifestieren.

Die in dem Gesetz enthaltenen protektionistischen Maßnahmen verstoßen wahrscheinlich sogar gegen die Regeln der Welthandelsorganisation. Sollte das wirklich der Fall sein, dürften neue Handelskonflikte, darunter mit der EU, nicht lange auf sich warten lassen. Auch Kanada und Mexiko könnten die Bestimmungen anfechten und im Rahmen der Streitbeilegungsklauseln innerhalb des Freihandelsabkommens USMCA Beschwerde einlegen.

Höhere Steuern sollen Förderpaket gegenfinanzieren

Inwieweit die Interessen der deutschen und europäischen Wirtschaft durch das Gesetzeskapitel Steuerpolitik betroffen sein werden, muss sich erst noch herausstellen. So wird auf Buchgewinne von mehr als 1 Milliarde US$ eine Mindestkörperschaftsteuer (Book Minimum Tax) von 15 Prozent eingeführt. Dies dürfte aber nur sehr große Unternehmen betreffen, die zudem in den USA registriert sind.

Neu ist ebenfalls eine Abgabe von 1 Prozent auf den Wert von Aktienrückkäufen, die während eines Steuerjahres durchgeführt werden. Mit den frischen Steuerzuflüssen möchte die US-Regierung die sich aus dem Inflationsbekämpfungsgesetz ergebenden Gesamtausgaben von 725 Milliarden US$ im Laufe von zehn Jahren zum Teil gegenfinanzieren und das hohe Haushaltsdefizit eindämmen.

US-Regierung will niedrigere Medikamentenpreise

Abzuwarten gilt gleichfalls, ob die Interessen der deutschen Pharmaindustrie tangiert werden. Denn die gesetzliche Krankenkasse Medicare wird ermächtigt, Preisverhandlungen mit Medikamentenherstellern aufzunehmen, mit dem Ziel die Kosten für Pharmazeutika innerhalb eines Jahrzehnts um 288 Milliarden US$ zu senken.

In einer ersten Runde bis 2025 verhandelt Medicare allerdings nur mit den Produzenten der zehn teuersten Präparate. Erst danach werden die Verhandlungen ausgeweitet. Pharmahersteller, die sich den Verhandlungen versperren, müssen mit einer Umsatzsteueranhebung auf 95 Prozent für das umstrittene Medikament rechnen.

Das Inflationsbekämpfungsgesetz wurde am 12. August 2022 vom US-Kongress verabschiedet und kann auf der Internetseite des Kongresses abgerufen werden.


 

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