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Branche kompakt | Belgien | Solarenergie

Atomausstieg bedingt Investitionen in Fotovoltaik

Die 2025 geplante Abschaltung aller belgischen Kernkraftwerke erfordert auch hohe Investitionen in Fotovoltaikanlagen. Deren Erzeugung soll in zehn Jahren um 90 Prozent steigen.

Von Torsten Pauly | Belgien

  • Marktüberblick

    Bei der installierten Pro-Kopf-Leistung für Solarstrom lag Belgien 2019 in der EU bereits an dritter Stelle. In den kommenden Jahren wird es einen stetigen Ausbau geben.

    Markttreiber und -hemmnisse

    Treiber

    Hemmnisse

    Der Atomausstieg 2025 erfordert raschen Ausbau erneuerbarer Stromquellen

    Windkraft hat unter allen regenerativen Energieträgern die besten Voraussetzungen und ist für viele Investoren rentabler als Fotovoltaik

    Die Behörden unterstützen den Einsatz von Solarstrom durch flankierende Maßnahmen, etwa zur E-Mobilität durch die Einrichtung von Umweltzonen und Mautbefreiungen

    In Flandern, Wallonien und Brüssel gibt es auch bei den generellen Marktbedingungen große Unterschiede bis hin zu den Amtssprachen

    Quelle: Germany Trade & Invest

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Politische Ziele

    Fotovoltaik hat 2020 etwa 5,1 Terawattstunden und damit 6,3 Prozent zur belgischen Stromerzeugung beigetragen. Bis 2030 soll es einen Anstieg auf 9,7 Terawattstunden geben.

    Solarstromerzeugung soll sich bis 2030 fast verdoppeln

    Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten ist Windkraft die bedeutendste regenerative Energiequelle und hat 2020 etwa 13,2 Prozent der Elektrizitätserzeugung erbracht. Bedeutend war auch Biomasse (5,1 Prozent). Auf herkömmliche Energieträger, insbesondere Kernkraft und Erdgas, entfielen jedoch insgesamt 75 Prozent.

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    Wegen Belgiens föderaler Struktur obliegt der Ausbau der Solarenergie ausschließlich den drei Regionen, die generell einen hohen Grad an Autonomie besitzen. Diese sind das niederländischsprachige Flandern, das frankophone Wallonien und die zweisprachige Hauptstadtregion Brüssel. Auch Belgiens Nationaler Energie- und Klimaplan von 2021 bis 2030 ist in Verhandlungen von Zentralstaat und Regionen entstanden. Er fußt daher auf föderalen und regionalen Einzelplänen und ist nicht etwa eine nationale Vorgabe, welche dann in den Gebieten umzusetzen ist.

    In Belgien sind 2020 Fotovoltaikanlagen im Umfang von einem Gigawatt zugebaut worden. Die Gesamtkapazität belief sich somit Ende des Jahres auf 6 Gigawatt. Davon befanden sich 4.428 Megawatt in Flandern, 1.428 Megawatt in Wallonien und 180 Megawatt im Raum Brüssel. Bereits Ende 2019 waren in Belgien Fotovoltaikanlagen im Umfang von 466 Watt je Einwohner installiert. Damit lag das Land in der Europäischen Union (EU) auf Rang drei hinter Deutschland und den Niederlanden.

    Belgiens Energie- und Klimapläne legen keine konkreten Vorgaben bezüglich der Gesamtkapazität aller installierten Fotovoltaikkapazitäten fest. Stattdessen definieren sie den Anstieg des jährlich erzeugten Solarstroms. Flandern und Brüssel nennen dabei Ziele für alle Jahre von 2020 bis 2030. Wallonien beschränkt sich auf die Festlegung, dass 2030 etwa 3,3 Terawattstunden aus Fotovoltaik gewonnen werden. Das sind 175 Prozent mehr als 2019 (1,2 Terawattstunden).

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    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktorganisation

    Wegen der regionalen Zuständigkeiten unterscheiden sich auch die Genehmigungsverfahren und Abnahmeregelungen für Fotovoltaikanlagen bis hin zu den Institutionen und Amtssprachen.

    Regelungen sind Sache der Regionen

    Über die jeweils vor Ort geltenden Gegebenheiten informieren die zuständigen Regulierungsagenturen. Diese sind die flämische Kommission VREG (Vlaamse Reguleringsinstantie voor de Elektriciteits- en Gasmarkt), die wallonische Kommission CWaPE (Commission Wallonne Pour l'Energie) und die Regulierungskommission für Energie in der Hauptstadtregion Brüssel (Commission de Régulation pour l'Energie en Région de Bruxelles-Capitale). Diese regionalen Agenturen sind auch für die Stromübertragung und -verteilung bis zu einer Spannung von 70 Kilovolt zuständig. Auf der nationalen Ebene existiert zudem die Kommission CREG (Commission de Régulation de l'Electricité et du Gaz).

    Die aus Sonnenenergie gewonnene Elektrizität muss das Unternehmen Elia System Operator S.A. in Belgien abnehmen. Dieses betreibt auch das belgische Hochspannungsnetz.

    Größter Stromversorger verliert rasch Marktanteile

    Auf Belgiens liberalisiertem Strommarkt ist der Anteil des größten Versorgers, des Betreibers der Atomkraftwerke (AKW) Energie Electrabel S.A. in den letzten Jahren stark gesunken. Im Jahr 2019 lag er bei 40 Prozent. Zehn Jahre zuvor hatte Electrabel noch 78 Prozent des belgischen Strommarktes kontrolliert.

    In Belgien existieren auch viele kleine Anbieter, die mitunter auch nur in bestimmten Gebieten am Markt sind. Informationen über regionale Versorger bieten die Regulierer von Flandern, Wallonien und Brüssel.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktchancen

    Ende 2020 waren in Belgien 526.000 Fotovoltaikanlagen am Netz. Davon waren 98 Prozent kleine Dachanlagen mit bis zu 10 Kilowatt. Es gibt jedoch immer mehr große Gigawattprojekte.

    Auf der Nordsee entsteht ein schwimmender Fotovoltaikpark

    Große Solarstromanlagen werden meist auf Flachdächern oder auf dem Wasser installiert, da es in Belgien wegen der hohen Siedlungsdichte an freien Böden mangelt. Im Jahr 2019 lebten in Belgien 377 Menschen auf einem Quadratkilometer zusammen. Im EU-Schnitt waren es nur 109 Personen und in Deutschland 235 Einwohner. So wird das Start-up Skysun in Anderlecht im Raum Brüssel auf einer alten Markthalle aus dem 19. Jahrhundert auf 1,2 Hektar 5.800 Solarmodule mit einer Kapazität von 2 Megawatt errichten.

    Sogar 28.000 Fotovoltaikpaneele sieht das Projekt Solar vor. Hierfür sind 100.000 Quadratmeter an Dachfläche nötig. Dies realisiert der Investor Redeveco, indem er nicht nur eigene Handelsobjekte nutzt, sondern auch Kooperationen mit anderen Unternehmen eingeht, unter anderem mit Carrefour, C&A, der Baumarktkette Brico, dem Elektro- und Elektronikhändler Krefel und den Kfz-Werkstätten von Auto5.

    Einen Fotovoltaikpark mit einer Leistung von 3 Gigawatt wird der niederländische Investor Oceans of Energy in der belgischen Nordsee einrichten. Das Projekt wird einen Standort bei einem Windpark haben. Die Stromgestehungskosten werden bei 15 Eurocent pro Kilowattstunde liegen und Oceans of Energy hält eine Reduzierung auf 5 Eurocent für möglich. Das Projekt wird vom EU-Programm SCORES gefördert.

    Bereits 2020 ist auch ein schwimmender Fotovoltaikpark in der Provinz Antwerpen ans Netz gegangen. Dieser kann mit 17.250 Paneelen 7 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugen.

    Hohe Strompreise machen viele Haushalte zu Prosumern

    Die Stromkosten sind für belgische Haushalte sehr hoch, mussten diese doch bei einem Jahresverbrauch von 2.500 Kilowattstunden bis 5.000 Kilowattstunden im 2. Halbjahr 2020 im Mittel 26,6 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt für eine Kilowattstunde bezahlen. Daher sind viele Haushalte sogenannte Prosumer, die Strom als eigener Produzent selber konsumieren. Dies ist ein wichtiger Grund, warum sich in Belgien bereits über 500.000 kleine Fotovoltaikanlagen mit bis zu 10 Kilowatt Leistung verkauft haben. Allerdings gibt es bei den Strompreisen für Endverbraucher in Belgien auch regionale Unterschiede, da die jeweiligen Abgaben variieren.

    Für die Vergabe von grünen Zertifikaten ist in Wallonien und Flandern die Stromübertragungsgesellschaft Elia zuständig. Diese beauftragt für Auktionen mitunter andere Anbieter. So organisiert das Unternehmen Solar Chest deren Durchführung 2021 in Wallonien. In der Hauptstadtregion Brüssel erteilt die öffentliche Agentur Brugel grüne Zertifikate. In ganz Belgien gilt ein Mindestpreis von 65 Euro je Zertifikat. Informationen hierzu finden sich auf der Homepage von Elia.

    Atomausstieg und Umweltpolitik erfordern raschen Zubau

    Belgien hat einen veralteten Energiemix und ist daher nach wie vor in hohem Maße von herkömmlichen Brennstoffen und Einfuhren abhängig. Im Jahr 2019 hatte Belgien einen Nettoenergieimport von 50 Millionen Tonnen an Rohöläquivalenten. Das war das 3,1-fache der gesamten inländischen Erzeugung. Das Land muss daher stark in die Nutzung von Solar- und anderen erneuerbaren Energien investieren.

    Die für 2025 geplante Abschaltung aller Atommeiler verschärft das Versorgungsproblem noch, denn Nuklearstrom hat 2019 etwa 71 Prozent zur gesamten inländischen Stromerzeugung beigetragen. Mangelnde Produktionsalternativen sind auch der Grund dafür, dass der AKW-Betreiber Energie Electrabel S.A., der zum französischen Engie-Konzern gehört, alte Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 1,8 Gigawatt trotz wiederholter Pannen bisher nicht wie vorgesehen endgültig abgeschaltet hat.

    Auch verkehrs- und umweltpolitische Maßnahmen fördern indirekt Fotovoltaikinvestitionen von Haushalten, da sie starke Anreize für Elektrofahrzeuge schaffen. Bereits seit einiger Zeit haben Brüssel, Antwerpen, Gent, Namur und Eupen für Verbrennungsmotoren gesperrte Umweltzonen eingerichtet. Weitere Städte wie Mechelen oder die Region Wallonien wollen folgen. Auch die Maut auf Autobahnen und im Raum Brüssel entfällt für Elektrofahrzeuge. Zudem setzen alle in Belgien ansässigen Fahrzeugbauer auf erneuerbare Antriebe.

    Unternehmen investieren in eigene Stromversorgung

    Für gewerbliche Kunden mit einem Jahresverbrauch von 2.000 Megawattstunden bis 20.000 Megawattstunden entsprach der Strompreis im 2. Halbjahr 2020 exakt dem EU-Mittelwert. Viele Unternehmen im Sekundär- und Tertiärsektor investieren in ihre eigene Stromversorgung und kommen daher als Großabnehmer von Fotovoltaikanlagen in Betracht. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass insbesondere große Industriebetriebe Windrotoren bevorzugen, da sie weniger Platz beanspruchen und dank der vielerorts hervorragenden natürlichen Bedingungen auch sehr viel leistungsfähiger sind. Auch an Windparks gekoppelte große Wasserstoffprojekte erscheinen oftmals lukrativer als Fotovoltaikparks. Hierfür sieht Belgien im 2021 aufgelegten Nationalen Aufbau- und Resilienzplan zur Überwindung der Coronakrise auch spezielle Förderprogramme vor.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markthemmnisse

    Bei der Marktbearbeitung ist eine genaue Kenntnis der jeweiligen regionalen Gepflogenheiten unerlässlich.

    Entsendeverfahren sind komplex

    Grundsätzlich bestehen für deutsche und andere Anbieter aus der EU in Belgien keine besonderen Hemmnisse beim Marktzugang oder bei der Entsendung von Fachkräften. Allerdings sind die Anmeldeprozeduren für deutsche Firmen und deren Mitarbeiter auch bei Kurzeinsätzen komplex und bis hin zu den Amtssprachen regional unterschiedlich. Einen umfassenden Service zur Anmeldung und Mitarbeiterentsendung einschließlich von Steuerfragen bietet unter anderem die AHK Debelux an.

    Viele deutsche Anbieter bearbeiten den belgischen Markt nicht mit einem landesweiten, sondern mit mehreren regionalen Vertretern. Der Grund ist, dass sich die belgischen Regionen nicht nur hinsichtlich der Verwaltung und Sprachen, sondern auch bei den Präferenzen von Verbrauchern zum Teil stark unterscheiden. Allerdings kann sich die Rekrutierung von Mitarbeitern vor allem in Flandern wegen des zunehmenden Fachkräftemangels als schwierig erweisen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    In Belgien gibt es eine Reihe von kleinen oder mittelständischen Firmen für die Herstellung von Fotovoltaiktechnik.

    Cluster und Forschungseinrichtungen vorhanden

    Die Produzenten sind oft bei Elektronik- oder IKT-Komponenten stark. Darüber hinaus existieren viele, oftmals lokale Betriebe für die Montage und Wartung von Fotovoltaikanlagen.

    Die Branche arbeitet auch in regionalen Clustern zusammen. Zum einen existiert in Lüttich das Cluster TWeeD, das vor allem wallonische und Brüsseler, aber auch einige flämische Mitglieder zählt. Zum anderen gibt es das Cluster Flux50, das sich primär an Unternehmen in Flandern und Brüssel richtet. In beiden Clustern engagieren sich nicht nur Produzenten, sondern auch Forschungseinrichtungen und Verbände wie Agoria, der verschiedene Technologiesparten von der Elektronik- und IKT- bis hin zur Kfz- und Maschinenbauindustrie umfasst. Darüber hinaus sind Fotovoltaikhersteller oft auch in den Verbänden für erneuerbare Energien Edora, Ode und Energy Commune aktiv.

    International renommiert ist die Einrichtung EnergyVille, die eine Forschungskooperation mehrerer Institutionen darstellt. Hierzu zählen die Universitäten in Leuven und Hasselt und die interdisziplinären Institute VITO und imec. Imec selbst ist auf Nano- und digitale Technologien spezialisiert und auch bei einigen Fotovoltaiksegmenten weltweit mit führend. Bei EnergyVille arbeiten etwa 400 Wissenschaftler. Neben Fotovoltaik erforscht EnergyVille unter anderem auch Energiespeicher und Steuerungsprozesse.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    Exportinitiative Erneuerbare Energien

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    AHK Debelux

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Föderaler öffentlicher Dienst Wirtschaft, kleine und mittlere Betriebe, Mittelstand und Energie; Generaldirektorat Energie

    In der belgischen Föderalregierung zuständig für Energiepolitik

    VEKA (Vlaams Energie- en KLimaagentschap)

    Flämische Energieagentur

    SPW Energie

    Walloniens öffentlicher Dienst für Energiefragen

    Environnemt/Leefmilieu Brussels

    Brüsseler Umweltagentur, zuständig für Energiefragen

    CREG (Commission de Régulation de l'Electricité et du Gaz

    Föderale Elektrizitäts- und Gasregulierungskommission

    VREG (Vlaamse Reguleringsinstantie voor de Elektriciteits- en Gasmarkt)

    Flämische Regulierungsinstanz für den Elektrizitäts- und Gasmarkt

    CWaPE (Commission Wallonne Pour l'Energie)

    Wallonische Kommission für Energie

    Commission de Régulation pour l'Energie en Région de Bruxelles-Capitale)

    Regulierungskommission für Energie der Region Brüssel-Hauptstadt

    EDORA (Fédération des énergies renouvelables)

    Verband erneuerbarer Energien

    Energie Commune

    Vereinigung zur Förderung erneuerbarer Energien

    ODE

    Flämischer Verband erneuerbarer Energien

    TWeeD

    Cluster in Wallonien und Brüssel

    Flux50

    Cluster in Flandern und Brüssel

    EnergyVille

    Forschungsinstitut in Genk

    Von Torsten Pauly | Berlin

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