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Wirtschaftsumfeld | Hongkong | Finanzmarkt

Hongkonger Börse fällt weiter ab – wegen Chinas Einfluss?

Im regionalen Vergleich schwächelt der Finanzmarkt Hongkong, der Kurs des Leitindex Hang Seng fällt. Das lässt Rückschlüsse auf die Verfasstheit der chinesischen Wirtschaft zu.

Von Robert Herzner | Hongkong

Der Aktienindex Hang Seng performte zum Jahresende 2023 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 und zum Krisenjahr 2022 deutlich schlechter als Indizes anderer Börsen in der Region wie Taipei, Tokyo, Singapur und Shanghai. Der Hang Seng Index verzeichnete zweistellige Einbußen, eine gegenläufige Entwicklung auch zum Westen. Ebenso wie der Frankfurter Dax 40 weisen die beiden New Yorker Indizes Dow Jones und NYSE Composite zweistellige Zuwachsraten auf. Im Mittelfeld liegen Shanghai, Singapur und London mit Veränderungen unter 5 Prozent.

Asiatische Börsenstandorte 2023 im Vergleich
BörsenstandortAktienindex

Veränderung zu 2022 (in Prozent)

Veränderung zu 2019 (in Prozent)

HongkongHang Seng-16,0-39,5
ShanghaiSSE-3,8-2,5
TokyoNikkei 22522,041,5
TaipeiTAIEX21,248,3
SingapurSTI-0,30,5
Quelle: Webseiten der Indizes 2024, Moneycontrol 2024, Bloomberg 2024

Solides BIP-Wachstum zieht Börse nicht mit

Die Hongkonger Wirtschaft ist jüngsten Schätzungen zufolge 2023 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,4 Prozent relativ robust gewachsen. Für 2024 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Wirtschaftswachstum um 3 Prozent. Dennoch fielen der Hang Seng Index weiter, allein 12 Prozent seit Jahresbeginn 2024 bis zu einem vorläufigen Tiefpunkt am 22. Januar 2024. 

Die Brisanz zeigt sich auch darin, dass die chinesische Regierung offensichtlich zur Stützung des Aktienmarktes ein riesiges Maßnahmenpaket plant. Nach einem Bloomberg-Bericht vom 23. Januar 2024 sollen umgerechnet 280 Milliarden US-Dollar (US$) von Offshore-Konten staatlicher Unternehmen in Aktienkäufe in Hongkong transferiert werden. Chinesische Fonds für den lokalen Markt möchte die Regierung mit 42 Milliarden US$ stützen. 

Eine andere Entwicklung zeigt sich in Deutschland: zwar ging das BIP um 0,3 Prozent im Jahr 2023 im Vorjahresvergleich zurück, doch der Leitindex der Frankfurter Börse Dax entwickelte sich positiv und verzeichnete 2023 seinen bisher besten Jahresabschluss überhaupt mit 16.751,64 Punkten. Eine ähnliche Entwicklung erfolgte nur 800 Kilometer von Hongkong entfernt in Taipei: Die taiwanische Wirtschaft wuchs 2023 voraussichtlich nur um 1,4 Prozent, demgegenüber legte auch der TAIEX im vergangenen Jahr um 21,2 Prozent auf 17930,81 Punkte zu. 

Zuversicht in chinesischen Markt schwindet

Die schwache Performance zeigt: Investoren haben eine geringere Zuversicht in den chinesischen Markt im Vergleich zu Nachbarmärkten in der Region. Insbesondere internationale Fonds haben ihre Investitionen aus Hongkong an andere Börsen verschoben. Dies wurde am 23. Januar 2024 deutlich, als Indien erstmals Hongkong von Platz 4 der weltweit größten Aktienmärkte nach gesamtem Aktienwert verdrängte.

Mit Blick auf China fällt die Diskrepanz in der Entwicklung des Hang Seng Index im Vergleich zum Shanghai Index SSE auf. Dieser verzeichnete seit 2019 nur einen Rückgang um 2,5 Prozent. Die deutlich bessere Bewertung der in Shanghai gelisteten Unternehmen lässt sich so erklären, dass in Shanghai die Investitionsmöglichkeiten internationaler Anleger im Vergleich zu Hongkonger Börse stärker eingeschränkt sind. Sie begrenzen sich im Wesentlichen auf chinesische Investoren, häufig Staatsfonds. Diese verfolgen marktwirtschaftlich andere Interessen als westliche Investoren. Demgegenüber bestehen in Hongkong striktere Anforderungen an die Berichtspflichten zum Jahresabschluss, sodass die Unternehmen besser beurteilt werden können. 

Hongkong bietet ungeschminkte Zahlen

Der Aktienmarkt in Hongkong bietet hingegen eine objektivere Bewertung: Die Zahlen sind eine gute Ergänzung zu den offiziellen chinesischen Statistiken und Prognosen, um die chinesische Wirtschaft und ihre führenden Unternehmen zu beurteilen. An der Entwicklung der Aktien einzelner Branchen lässt sich die aktuelle Situation ablesen und Trends abzeichnen: 

Den stärksten Rückgang im Aktienindex verzeichneten 2023 Immobilien- und Bauunternehmen mit 30,9 Prozent, gefolgt von Konsumgütern mit 26,8 Prozent. Sowohl Inlandskonsum als auch Immobiliensektor befinden sich in einer veritablen Krise. Der ins Straucheln geratene Immobilienriese Evergrande muss abgewickelt werden, ordnete ein Hongkonger Gericht Ende Januar 2024 an. Auch andere Immobilienentwickler befinden sich noch in Schieflage, Lokalregierungen sind hoch verschuldet. Entsprechend kommt dem Außenhandel für China eine steigende Bedeutung zu.

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Chinas Einfluss macht sich bemerkbar

Der Hang Seng Index bildet die Aktienkurse der 82 größten und meistgehandelten Unternehmen der Hongkonger Börse ab und repräsentiert damit etwa 57 Prozent der Marktkapitalisierung. Über zwei Drittel der Unternehmen sind chinesische Firmen, die zwar einen Börsengang in Hongkong vornahmen, in der Stadt aber keine signifikanten Geschäftsmodelle vornehmen. Dazu gehören Unternehmen wie Lenovo, China Construction Bank und der Shanghaier Halbleiterhersteller SMIC. Dem stehen 25 Unternehmen mit Ursprung in Hongkong gegenüber, darunter Energieversorger und Verkehrsbetriebe. Die im Index geführten Privatunternehmen sind vorwiegend im Finanzsektor, Immobilienbereich sowie im Handel und Konsumgüterbereich tätig. 

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Mit einem Börsengang in Hongkong profitieren chinesische Unternehmen vom Zugang zu einem breiteren Kapitalmarkt, insbesondere in Asien. Ein Trend ist die Zweitnotierung in Hongkong, nachdem zuvor ein internationaler Börsengang, insbesondere in den USA, erfolgte. Diese Entwicklung wird beschleunigt durch ein 2020 in den USA in Kraft getretenes Gesetz zu den Rechenschaftspflichten ausländischer Unternehmen, das insbesondere chinesische Unternehmen mit Staatsanteilen betrifft. Insgesamt sind an der Hongkonger Börse 2.597 Unternehmen gelistet, dazu gehören auch DAX-Unternehmen wie die Deutsche Bank, Siemens und VW. 

Der Finanzsektor ist ein wichtiger Pfeiler der Hongkonger Wirtschaft und machte 2022 rund ein Viertel des BIP sowie 7,5 Prozent der Arbeitsplätze der Sonderverwaltungsregion aus. Im Vergleich zum chinesischen Festland gibt es keine Kapitalverkehrskontrollen. Hongkong verfügt daher über den größten Pool an der chinesischen Währung Renminbi außerhalb des Festlandes. Im 1. Halbjahr 2023 wurden 73 Prozent des weltweit gehandelten Renminbis (Offshore-Renminbi) in Hongkong abgewickelt.

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