Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | Portugal | Maschinenbau

Ausrüstungsinvestitionen ziehen wieder steil an

Die Ausrüstungsinvestitionen sollen im Jahresverlauf 2022 das Vorkrisenniveau überschreiten. Europäische Hilfsgelder und Modernisierungen treiben die Nachfrage hoch.

Von Oliver Idem | Madrid

  • Markttrends

    Die Ausrüstungsinvestitionen sollen 2022 um real 9,2 Prozent zunehmen. Projekte aus dem Aufbauplan sowie Energie- und Bahnvorhaben sorgen für einen hohen Technikbedarf.

    Zügige Erholung nach dem Coronatief

    Die Kommission der Europäischen Union (EU) ging im Februar 2022 davon aus, dass das portugiesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 weiter zulegen wird. Die Prognose lautet 5,5 Prozent reales Wachstum im laufenden Jahr und 2,6 Prozent Zunahme im Jahr 2023.

    Eine besonders hohe Dynamik soll die Ausrüstungsinvestitionen erfassen. Hier wird laut den neuesten Zahlen 2022 mit einem realen Plus von 9,2 Prozent und 2023 von 5,8 Prozent gerechnet. Während die Nachholeffekte auslaufen, sorgen neue Projekte und Investitionen weiterhin für Schwung.

    Zusätzlich zu anderen privaten und staatlichen Vorhaben verspricht der Aufbauplan Portugals im Rahmen der EU-Hilfspakete umfangreiche Infrastrukturinvestitionen. Diese dürften auch als Motor für viele Sparten des Maschinen- und Anlagenbaus wirken.

    Die lokale Maschinenbaubranche steigerte in den vergangenen Jahren ihre Wettbewerbsfähigkeit. Diese Verbesserung machte sich auch in steigenden Exportzahlen bemerkbar. Das Auslandsgeschäft ermöglicht den Unternehmen höhere Umsätze und ist auch ein Innovationstreiber.

    Außergewöhnliche Chancen durch Next Generation EU 

    Portugal kann aus den EU-Hilfsgeldern 13,9 Milliarden Euro Zuschuss sowie 2,7 Milliarden Euro Kredite bis 2026 einplanen. Die vorgesehene Verwendung des Geldes hat die Regierung in ihrem Aufbau- und Resilienzplan dargelegt. Nach der Weltfinanzkrise fehlten im Land die Mittel, um größere Investitionen zu tätigen. Nun bietet das Hilfspaket die Chance, Lücken zu schließen und Portugal für die Zukunft aufzustellen.

    Diverse unternehmerische Innovationen werden mit rund 2,9 Milliarden Euro aus dem Plan unterstützt. Zudem stehen 715 Millionen Euro für die Entkarbonisierung der Industrie bereit. Weitere 650 Millionen Euro dienen dazu, den digitalen Wandel in der Wirtschaft zu fördern.

    Impulse für den Ausrüstungsbedarf versprechen auch 690 Millionen Euro, die in Infrastrukturvorhaben fließen sollen. Mit 390 Millionen Euro wird die Wasserknappheit bekämpft. 

    Hinzu kommen 370 Millionen Euro für den Sektor Wasserstoff und erneuerbare Gase. Hier befindet sich Portugal durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung und weiteres Solar- und Windkraftpotenzial in einer komfortablen Ausgangslage. 

    In Portugal sind weitere Großvorhaben in der Planung beziehungsweise Umsetzung. Das mit Abstand größte Vorhaben ist ein komplett mit erneuerbaren Energien versorgtes Großrechenzentrum. Dieser "Start Campus" in Sines befindet sich in der Planung und soll 3,5 Milliarden Euro Investitionen auf sich vereinigen.

    Der spanische Energiekonzern Iberdrola will bis 2023 am Fluss Tâmega drei Pumpspeicherkraftwerke im Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro errichten. In der Region Alto Alentejo entsteht Portugals größter Solarpark mit 1.200 Megawatt Kapazität.

    Große Schienenprojekte sind der internationale Südschienenkorridor von Evora nach Elvas zur besseren Anbindung des Hafens Sines. In Lissabon und Porto werden Linien der Metro erweitert.

    EU fördert Portugal auch regulär durch Strukturhilfen

    Portugal erhält auch Unterstützung der Europäischen Union im Zuge der Kohäsionspolitik. Für die Förderperiode 2021 bis 2027 hat die Europäische Kommission aus fünf Programmen insgesamt 23,6 Milliarden Euro für Portugal eingeplant. Im Februar 2022 befanden sich die Einzelheiten zur Mittelverwendung noch in der Absprache.

    Die Belebung des Investitionsbedarfs vieler Betriebe und das Engagement deutscher Unternehmen in Portugal, davon rund 150 in der verarbeitenden Industrie, eröffnet deutschen Kapitalgüterherstellern grundsätzlich gute Lieferchancen.

    Kunden deutscher Maschinenbauunternehmen sind vielfach die exportorientierten Branchen, besonders die Kfz-Industrie, die Textil- und Bekleidungs- sowie die Schuhindustrie. Dazu kommen der auf Kunststoffe spezialisierte Formenbau, die Holz- und Möbelindustrie, die Nahrungsmittelbranche, aber auch die Landwirtschaft.

    Nach Erkenntnissen der AHK Portugal bestehen Chancen für deutsche Anbieter von innovativen Automatisierungstechnologien sowie Sensorik-, Steuerungs- und Produktionstechniken.

    Zudem spielen die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine wichtige Rolle. Der Trend zur "smarten" Fabrik eröffnet auch weitere Möglichkeiten.

    Diese beziehen sich auf Softwarelösungen im Planungs- und Fertigungsumfeld, Identifikationssysteme und Netzwerklösungen, Prüfsysteme, Mixed-Reality-Software sowie Informations- und Netzwerksicherheitslösungen. Die Vielfalt an möglichen Anwendungen eröffnet Geschäftschancen für Beratungsdienstleister zur Integration digitaler Technologien in Unternehmen und Industrie.

    Maschinenimporte mit negativem Sondereffekt 2020 

    Portugal bezieht eine breite Palette von Maschinen, Anlagen und Werkzeugen aus dem Ausland. Von 2012 bis 2019 fragten portugiesische Kunden jedes Jahr mehr Ausrüstung aus dem Ausland nach. Die aktuellen Prognosen lassen erwarten, dass sich dieser Trend seit 2021 wieder fortsetzt.

    Die Coronakrise sorgte jedoch 2020 für einen negativen Ausreißer. Die Einfuhren gemäß NACE 28 fielen um 12,8 Prozent auf 4,23 Milliarden Euro. Hier machte sich bemerkbar, dass die Unternehmen besonders vorsichtig agierten. Viele schoben Investitionen auf oder reduzierten ihr geplanten Beschaffungsvolumen. 

    Spanien, Deutschland und Italien sind die mit Abstand wichtigsten Bezugsländer für Maschinen, Anlagen und Werkzeuge. Deutschland ist unter anderem bei Holzbearbeitungsmaschinen, Kunststoff- und Gummimaschinen, Textilmaschinen und Antriebstechnik gut positioniert. Von Jahr zu Jahr sind deutliche Schwankungen möglich. In vielen Segmenten liegen die Importwerte nämlich nicht weit auseinander.

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Branchenstruktur

    Die internationale Vernetzung des portugiesischen Maschinenbaus nimmt zu. Dazu trägt auch der Status als Partnerland der Hannovermesse 2022 bei.

    Maschinenbau ist besonders innovative Branche des Landes

    Der Maschinenbau in Portugal ist ein technologieintensiver Wirtschaftszweig, der auch viele ausländische Kunden beliefert. Aufgrund des begrenzten Binnenmarktes setzen insbesondere Nischenanbieter auf ausländische Abnehmer. Die wichtigsten Handelspartner sind EU-Staaten, wobei der Trend auch in Richtung außereuropäische Märkte geht. Dazu zählen portugiesischsprachige Länder in Afrika und lateinamerikanische Länder. 

    Zu den besonderen Stärken der Branche gehört der auf Kunststoffeinspritzung spezialisierte Formen- und Werkzeugbau. Auch bei Großlastkränen und Hebemaschinen sind Unternehmen aus Portugal gut vertreten.

    Über die physischen Produkte hinaus nimmt die Bedeutung von Software und Dienstleistungen zu. Dies gilt zum Beispiel für industrielle Anwendungen. Der Trend geht zu mehr eigenen Entwicklungen der portugiesischen Branchenunternehmen, etwa in der Automation und im IKT-Sektor.

    Die Abgrenzung der Branche gemäß portugiesischem Fachverband Aneme umfasst sechs Untersektoren. Demnach zählen zum Maschinenbau auch die Metallerzeugung und die Herstellung von Metallprodukten. Hinzu kommen der Kernbereich Produktion von Maschinen und Anlagen sowie die Fertigung von Transportausrüstung. Unter die lokale Definition fallen auch die Reparatur und Wartung von Maschinen und Anlagen sowie andere Zweige der Metall- und elektromechanischen Industrie.

    Produktionswert nahm 2020 zweistellig zu

    Der Produktionsindex des Maschinenbaus im engeren Sinne (NACE 28) fiel laut dem Fachverband Aneme 2020 im Vorjahresvergleich um 9,2 Prozent. Die Umsätze erwiesen sich mit einem Rückgang um 5,6 Prozent als wesentlich robuster.

    Das letzte vollständig verfügbare Jahr in der Statistik von Eurostat ist ebenfalls 2020. Der Produktionswert der Maschinenbau-Kategorie NACE 28 lag dort bei 1,96 Milliarden Euro und damit um 14,0 Prozent über dem Niveau von 2019. Es wurde also mehr im Inland produziert, während die Importe sowie Exporte abnahmen. Die größten Segmente waren kälte- und lufttechnische Erzeugnisse (2825, nicht für den Hausgebrauch) mit 403,2 Millionen Euro und Armaturen (2814) mit 261,5 Millionen Euro. Bei Hebe- und Förderzeugen (2822) lag die Herstellung bei 189,1 Millionen Euro und bei Land- und Forstmaschinen (2830) bei 88,2 Millionen Euro.

    Absatz von Maschinen und Anlagen in Portugal (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent) *)

    Sparte (NACE) 

    2019

    2020

    Veränderung

    2020/2019

    Maschinen und Anlagen (28)

    3.903,9

    3.599,1

    -7,8

      Nahrungsmittelmaschinen (2893)

    191,8

    172,8

    -9,9

      Textil- und Ledermaschinen (2894)

    52,3

    145,6

    178,5

      Druck und Papiermaschinen (2895)

    64,4

    54,6

    -15,2

      Kunststoff- und Kautschukmaschinen (2896)

    161,9

    128,1

    -20,9

      Land- und forstwirtschaftliche Maschinen (2830)

    245,1

    216,4

    -11,7

      Werkzeugmaschinen für Metallbearbeitung (2841)

    231,7

    176,0

    -24,0

      Pumpen und Kompressoren (2813)

    123,4

    58,9

    -52,3

      Armaturen (2814)

    280,5

    266,7

    -4,9

      Hebezeuge und Fördermittel (2822)

    364,2

    346,8

    -4,8

      Kälte- und lufttechnische Erzeugnisse, nicht für den Haushalt (2825)

    461,7

    481,4

    4,2

    *) rechnerischer Inlandsmarkt als Produktionswert plus Importe minus Exporte der jeweiligen NACE-Kategorien zu laufenden PreisenQuelle: Eurostat; Berechnungen von Germany Trade & Invest

    Durch die hohe und zunehmende Bedeutung des Exports müssen die Betriebe in ihre Wettbewerbsfähigkeit (Prozess- und Energieeffizienz, Innovationen) investieren. Das gilt auch für den technologieintensiven, auf Kunststoffeinspritzung spezialisierten Formen- und Werkzeugbau, der auf den Kfz-Sektor konzentriert und stark mit Deutschland im Geschäft ist. Portugal liegt dem Verband Cefamol zufolge weltweit auf Rang acht und in Europa auf Rang drei.

    Eine weitere Spezialsparte des portugiesischen Maschinenbaus sind Großlastkräne und Hebemaschinen etwa für Hafenterminals. Auch in dem sehr aktiven Subcontracting-Sektor für technische Präzisionsteile bestehen gute Möglichkeiten zu Beschaffung und Lieferung.

    Portugal wurde als Partnerland der Hannovermesse 2022 ausgewählt. Dort präsentieren sich rund 100 Unternehmen, die zumeist in engen oder weiteren Sinn dem Maschinenbau zuzurechnen sind. Die Schwerpunkte des Portfolios bilden technische Teile, Energielösungen und digitale Ökosysteme.

    Enge Verzahnung des Maschinenbaus mit Deutschland

    Unter den umsatzstärksten Maschinenbauunternehmen in Portugal befinden sich mehrere mit deutschem Ursprung. So sind Bosch, Grohe, Schaeffler und Groz-Beckert vor Ort vertreten.

    Die Gesamtzahl der Branchenunternehmen lag laut den neuesten Zahlen des Fachverbandes Aneme 2017 bei rund 22.000 Firmen. In diesen arbeiteten circa 223.200 Beschäftigte. Den Umsatz des Gesamtsektors gab Aneme mit 29,4 Milliarden Euro an. Die Unternehmen erreichten eine Bruttowertschöpfung von knapp 7,2 Milliarden Euro.

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Rahmenbedingungen

    Deutschland und Portugal sind Teil des EU-Binnenmarktes. Entsprechend gelten grundsätzlich die gleichen Rahmenbedingungen.

    Das Institut für Qualität (Instituto Português da Qualidade) ist das nationale Normierungsinstitut.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.). 

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht zur Verfügung sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Oliver Idem | Madrid

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.