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Branche kompakt | Japan | Chemische Industrie

Chemieindustrie lebt von Wandlungsprozessen

Japans Chemiebranche steht vor Herausforderungen, dem Inlandsmarkt mit begrenztem Wachstumspotenzial und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Grüne Transformation soll helfen.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

  • Markttrends

    Das Marktumfeld für die chemische Industrie verändert sich stark. Der Kostendruck steigt, ebenso wie der Transformations- und Investitionsbedarf. 

    Die chemische Industrie in Japan sieht sich 2022 einer abkühlenden internationalen Konjunktur gegenüber. Stark anziehende Energie- und Rohstoffpreise in einem geopolitisch raueren Umfeld haben im Jahr 2022 die Erholungstendenzen nach dem Corona-Einbruch der Vorjahre ausgebremst. Ein dynamisches Anziehen der Nachfrage ist zumindest im Jahr 2023 nicht zu erwarten. Die Prognosen verschiedener Vorhersageinstitutionen weisen auf ein abgeschwächtes Wachstum der Weltwirtschaft.

    Schwache Konjunktur belastet Chemieindustrie

    Insgesamt gingen die chemischen Unternehmen im Fiskaljahr 2022 (1. April bis 31. März) noch von einer guten Absatz- und Profitentwicklung aus, wie die “Japan Chemical Daily” Anfang Juni 2022 berichtete. Nach Beendigung der Covid-19-Maßnahmen hat sich die Nachfrage in den USA und Europa wie auch in Japan teilweise verbessert, wie etwa im Kosmetikmarkt. In Japan soll sich jedoch der Bedarf bei inländischen Abnehmerindustrien, wie der Automobilherstellung und der Bauindustrie, 2022 und 2023 eher schwach entwickeln.

    Auf der Angebots- und Nachfrageseite wird sich in Japan insgesamt wenig ändern. Die Versorgung mit chemischen Basismaterialien, wie Ethylen und Propylen, ist ausreichend. Japan ist ein Nettoexporteur. Jedoch entstehen im Ausland neue große petrochemische Anlagen, was sich auf die Exportaussichten der japanischen Branchenanbieter auswirkt. Insgesamt steigt der Kostendruck, weil 2022 die Energiepreise in die Höhe geschossen sind.

    In Japan steigt der Investitionsbedarf

    Neue Investitionen in den Kapazitätsausbau im Archipel finden statt. Die japanische Regierung fördert die Halbleiter- und Batteriebranchen als strategische Industrien, die im Inland Kapazitäten aufbauen sollen und damit auch mehr Chemiezulieferung benötigen. Die Produktion von Pharmazeutik will Japan ebenfalls stärken.

    So plant Sumitomo Chemical, in Japan die Erzeugung von Flüssigkristallpolymer (liquid crystal polymer - LCP) auszuweiten. Gegenwärtig verfügt das Unternehmen über eine jährliche Produktion von 9.000 Tonnen LCP und will diese im bestehenden Werk in Ehime um 3.000 Tonnen pro Jahr erweitern. Dies soll 2023 abgeschlossen sein. Damit bereitet sich Sumitomo Chemical auf höhere Nachfrage nach Leistungschips vor, wie sie in Elektrofahrzeugen benötigt werden.

    Das Tochterunternehmen von Merck, Merck Electronics Japan, hat im April 2022 gemeldet, dass in Japan eine Investition von 100 Millionen Euro in der bestehenden Fabrik in Shizuoka geplant ist. Dadurch soll das Zuliefergeschäft für die Elektronikindustrie bis 2025 ausgebaut werden.

    Im Spezialchemiebereich bauen japanische Firmen ihr Angebot aus. Einige Branchenfirmen haben international hohe Marktanteile in ihren jeweiligen Nischen, wie etwa bei Halbleiterwerkstoffen, Batteriematerialien und Kohlenfaserstoffen. Sie investieren kräftig in die Forschung und Entwicklung. Das organische Wachstum ergänzen sie durch den Aufkauf von Firmen, um das Produktportfolio zu stärken und Marktanteile hinzuzugewinnen.

    Japans Branchenunternehmen werden im Archipel investieren, denn die chemische Industrie hat sich dazu verpflichtet, die Produktion zu dekarbonisieren. Dies erfordert neue energieeffiziente Ausrüstung, neue Produktionstechnologie und neuartige Materialien.

    Auslandsnachfrage soll stark steigen

    Der Fokus japanischer Investoren richtet sich auch auf neue Kapazitäten in wichtigen Abnehmermärkten. Umfangreiche Programme in den USA und in Europa sind für den Ausbau der jeweiligen Elektrofahrzeug- und Halbleiterindustrien verabschiedet worden. Für japanische Chemiehersteller spielt zudem die erwartete starke Nachfrageentwicklung in der südostasiatischen Region eine Rolle.

    Beispielsweise hat der chemische Mischkonzern AGC im Mai 2022 angekündigt, in Thailand die Kapazität in seinen zwei Produktionsstätten von Chloralkalierzeugnissen zu erweitern. Die Investitionen sollen umgerechnet mehr als 700 Millionen US-Dollar (US$) betragen. Der Ausbau der Projekte soll im Jahr 2025 abgeschlossen sein. Für die nächsten Jahre bleiben Vietnam und Indonesien als wachsende Produktionsstandorte ebenfalls auf dem Investitionsradar.

    Hingegen hat Mitsubishi Chemical ein Investitionsvorhaben in den USA im Oktober 2022 vorerst verschoben. Dabei geht es um ein Projekt für Methylmethacrylat (MMA) im Bundesstaat Louisiana. Das Unternehmen nennt hohe Volatilität im Absatzmarkt als Grund. Bei anderen Investitionen in den USA, wie etwa im Elektromobilitätsbereich, gehen die Pläne voran. Mitsubishi Chemical will seine jährliche Produktionskapazität von Batteriematerial in den USA verdoppeln.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Japan (Investitionssumme in Millionen US-Dollar)

    Akteur/Projekt

    Investitionssumme *)

    Projektstand

    Anmerkungen

    Fuji Film/Bio-Medical

    1.600

    Fertigstellung: 2026

    Dänemark und USA

    Press Release

    AGC/Chlor-Alkali

    740

    Fertigstellung: 2025

    Thailand

    Press Release

    Shin-Etsu Chemical/Silikone für fortschrittliche funktionelle Produkte

    593

    Fertigstellung: 2025

    Gunma, Fukui und Niigata

    Press Release

    Shin-Etsu Polymer/Wafer

    159

    Fertigstellung: 2024

    Niigata und Tokyo

    Press Release

    Zoltek (Toray Subsidary)/Karbonfasern

    130

    Beginn des Betriebs: 2023

    Mexico 

    Press Release

    Tosoh/Trennung und Verfeinerung

    119

    Fertigstellung: 2025

    Yamaguchi

    Press Release

    Sumitomo Chemical/APIs und Zwischenprodukte für niedermolekulare Arzneimittel

    k.A.

    Beginn des Betriebs: 2024

    Oita

    Press Release

    *) 1 US$ = 135 YenQuelle: Unternehmenswebseiten

    Chemisches Recycling wird ausgebaut

    Abgesehen von der Produktion von Chemikalien arbeitet Japan als der weltweit drittgrößte Verbraucher an Chemikalien darauf hin, seine Kreislaufwirtschaft zu verfeinern. Im Fokus steht hier etwa die Entwicklung von biologisch abbaubaren Kunststoffen und leicht recycelbaren neuen Materialien. Als Ziel ist formuliert, die Wiederverwertungsrate von Kunststoffen bis 2030 auf 60 Prozent und bis 2035 auf 100 Prozent zu steigern.

    Insbesondere das chemische Recycling soll zunehmen, wie die Japan Chemical Industry Association Anfang 2021 angekündigt hat. Ab 2030 sollen jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen und 2050 etwa 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr solcherart wieder in den Materialkreislauf gebracht werden. Beispielsweise kooperiert Mitsubishi Chemical Holding mit dem Energiekonzern ENEOS, um eine Recyclinganlage zu errichten, in der Kunststoffabfälle in Ölderivate getrennt werden sollen.

    Von Jürgen Maurer | Tokyo

  • Branchenstruktur

    Japans Chemiefirmen wollen ihre Position in Zukunftsfeldern stärken. Strukturelle Veränderungen erfordern hohe Investitionen.

    Arzneimittelsparte ist stark

    Die Chemiebranche ist der zweitgrößte Produktionssektor der japanischen Wirtschaft. Dieser weist in Teilbereichen, wie in der Pharmazeutik und Spezialchemie, hohe Margen und eine hohe Forschungs- und Entwicklungsintensität auf. Die Wertschöpfung ist insgesamt hoch. Nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums setzte die chemische Industrie im Jahr 2020 umgerechnet rund 362 Milliarden US$ um. Darunter sind Arzneimittel und organische Chemikalien die beiden größten Absatzsegmente.

    Absatz ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Japan (in Milliarden US-Dollar; Veränderung und Marktanteil in Prozent) 1)

    Sparte

    2020 2)

    Veränderung 2020/2019 3)

    Marktanteil

    Chemischer Dünger

    3

    -1,9

    0,8

    Anorganische Chemie

    31

    -3,2

    8,6

    Organische Chemikalien

    101

    -8,1

    27,8

    Reinigungsmittel

    37

    -1,2

    10,2

    Arzneimittel

    133

    4,6

    36,6

    Kosmetika

    22

    0,3

    6,1

    andere

    36

    -2,3

    9,9

    chemische Industrie insgesamt

    362

    -1,5

    100

    1) Kalenderjahr; 2) 1 US$ = 107 Yen; 3) auf Yen-BasisQuelle: Economic Conditions Survey 2020/Ministry of Economy, Trade and Industry, 2022

    Produktionsdaten werden vom chemischen Verband und vom Wirtschaftsministerium nicht mehr in aggregierter Form erfasst. Lediglich die Fachverbände veröffentlichen Zahlen über die Herstellungsmengen. Demnach erreichte im Jahr 2021 die Erzeugung von Kunststoffmaterialien 10,4 Millionen Tonnen gegenüber 9,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020, so Angaben der Japan Plastic Industry Federation. Für Seifen und Reinigungsmittel sank die Produktion hingegen laut Japan Soap and Detergent Association zwischen 2020 und 2021 leicht von 2,5 Millionen Tonnen auf 2,4 Millionen Tonnen. Im Segment Farben und Lacken verzeichnete der Fachverband im Jahr 2021 einen mengenmäßigen Zuwachs um 2,8 Prozent.

    "Grüne" Chemie ist das Ziel

    Die Chemieunternehmen bauen ihre Geschäftsstrategien auf grüne Transformation um. Dadurch wollen sie sowohl die Kohlendioxidemissionen im eigenen Unternehmen verringern, als auch andere Firmen bei ihren Dekarbonisierungsaktivitäten mit neuartigen Chemikalien unterstützen. Unter anderem hat Sumitomo Chemical angekündigt, zwischen den Fiskaljahren 2022 und 2024 circa 1,3 Billionen Yen (umgerechnet mehr als 9 Milliarden US$) in die grüne Transformation zu investieren. Andere große Chemiekonzerne, wie Mitsubishi Chemical oder Mitsui Chemicals, gehen in die gleiche Richtung. Alle zielen auf eine Steigerung der Energieeffizienz, einen höheren Einsatz von erneuerbaren Energien und einen geringeren Materialeinsatz beziehungsweise mehr Recycling.

    Abgesehen von Dekarbonisierung investiert auch die Chemieindustrie in die Digitalisierung als ein wichtiger Modernisierungsbereich. Die Branchenunternehmen wollen dadurch ihre Produktionsprozesse optimieren und neue Materialien entwickeln. Big Data und künstliche Intelligenz sind in den Chemielaboren angekommen. Beispielsweise greift Sekisui Chemical auf Quasi-Quantencomputer von Hitachi zurück, um seine Entwicklungszeit für neue chemische Materialien zu verkürzen.

    Wichtige Branchenunternehmen in Japan (Umsatz in Milliarden US-Dollar)

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2021 3) 

    Mitsubishi Chemical Group 1)

    Diversifizierter Chemiekonzern

    36,2

    Sumitomo Chemical 1)

    Petrochemie, Agrarchemikalien

    25,1

    Fuji Film 1)

    Fortschrittliche Materialien, Arzneimittel

    23,0

    Asahi Kasei 1)

    Diversifizierter Chemiekonzern

    22,4

    Toray 1)

    Chemische Fasern

    20,3

    Shin-Etsu Chemical 1)

    Düngemittel, PVC

    18,9

    Mitsui Chemicals 1)

    Funktionelle Harze, Petrochemie

    14,7

    Showa Denko 2)

    Petrochemie, Organische Chemie

    12,9

    Shiseido 2)

    Kosmetik

    9,4

    1) Fiskaljahr (1. April bis 31. März); 2) Kalenderjahr; 3) 1 US$ = 110 Yen Quelle: Unternehmenswebseiten

    Transformation im Gange

    Die Restrukturierung in der Chemieindustrie sollte an Fahrt zunehmen, da Unternehmen ihre kohlenstoffintensiven Bereiche umbauen oder sich davon trennen. So hat 2021 das Feinchemieunternehmen JSR Corp. sein Elastomergeschäft an das Energieunternehmen ENEOS Corp. verkauft. Der Kosmetikkonzern Shiseido hat einen Mehrheitsanteil an seinem Haar- und Hautpflegegeschäft an die Beteiligungsgesellschaft CVC Capital Partners abgegeben, um sich auf das Kerngeschäft hochwertiger Hautpflegemittel zu kontrieren.

    Mitsubishi hat bereits angekündigt, im petrochemischen Bereich Veränderungen vorzunehmen. Da das Ziel der Dekarbonisierung für die Industrie hohe Kosten nach sich zieht, schlägt der Chef von Mitsubishi Chemical Holding vor, eine Konsolidierung im margenschwachen petrochemischen Sektor Japans anzustreben, um international wettbewerbsfähige Strukturen zu erreichen.

    Produktionserhalt in Japan angestrebt

    Spezielle Förderprogramme für die chemische Industrie existieren in Japan nicht. Für Forschung und Entwicklung wie auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze gibt es unter bestimmten Voraussetzungen steuerliche und finanzielle Anreize. So gewährt die Regierung finanzielle und steuerliche Anreize für den Aufbau einer Produktion von Halbleitern und Batterien in Japan. Darunter fallen auch die Anbieter von den erforderlichen Materialien.

    Japan importiert hauptsächlich pharmazeutische Erzeugnisse. Deren Einfuhrwert erreichte laut Statistik der UN-Comtrade im Jahr 2021 knapp 37, 3 Milliarden US$, gefolgt von organischen Chemikalien im Wert von 16,8 Milliarden US$. Beim Export aus dem Archipel stehen organische Chemikalien mit einem Ausfuhrwert im Jahr 2021 von 18,3 Milliarden US$ an erster Stelle. Bei anorganischen Branchenerzeugnissen als zweitgrößten Ausfuhrposten lag der Wert bei 9,4 Milliarden US$.


    Von Jürgen Maurer | Tokyo

  • Rahmenbedingungen

    Die Rahmenbedingungen werden den Dekarbonisierungszielen bis 2050 und Roadmaps folgend schrittweise angepasst.

    Rahmenbedingungen in Japan stabil

    Einen Überblick über die in Japan zu befolgenden gesetzlichen Bestimmungen liefert die Chemsafetypro. Über die Handhabung von chemischen Erzeugnissen in Japan informiert das Wirtschaftsministerium.

    Auskünfte zum Zollverfahren finden sich auf der Webseite der japanischen Zollbehörde. Umfangreiche Informationen zu Vorschriften und Standards bei der Einfuhr von chemischen Erzeugnissen enthält der Bericht der JETRO in dem "Handbook for Industrial Products Import Regulations 2009". Marktzugangsbeschränkungen sind im chemischen Bereich nicht bekannt.

     Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.


    Von Jürgen Maurer | Tokyo

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Japan

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministry of Economy, Trade and Industry (METI)

    Strategie und Planung der chemischen Industrie

    Japan Chemical Industry Association

    führender Fachverband

    Japan Plastics Industry Federation

    Fachverband

    Japan Chemical Exporters and Importers Association

    Fachverband

    Chemicals Evaluation and Research Institute, Japan

    Test- und Analyseinstitut

    Chemical Materials Japan

    Fachmesse

    Highly Functional Material Week

    Fachmessen


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