Wirtschaftsausblick | Namibia
Namibias Wirtschaft wächst moderat trotz schwierigem Umfeld
Namibia bleibt 2023 und 2024 auf einem moderaten Wachstumspfad. Ölfunde und der Aufbau einer grünen Wasserstoffindustrie werden die Wirtschaft ab 2026 deutlich anschieben.
12.07.2023
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Wirtschaftsentwicklung: Wasserstoff und Erdöl geben wichtige Impulse
Trotz schwächerer Nachfrage auf dem Weltmarkt sind die Rohstoffexporte wichtigster Antrieb für das wirtschaftliche Wachstum in Namibia. Kapazitäten beim Diamanten- und dem Uranabbau wurden beziehungsweise werden erweitert. Die Eröffnung neuer Minen (Lithium und Kupfer) sowie die weltweit kräftigen Investitionen in die Kernenergie werden ab 2025 den Bergbau weiter stärken. Eine schwache Konjunktur in Europa und den USA dürfte den bislang gut laufenden Tourismus hingegen bremsen.
Reichlich Niederschlag und Investitionen in die Bewässerung lassen den Agrarsektor nach einer schweren Dürre 2019 weiter wachsen. Ab 2024 könnte das zyklische Klimaphänomen El-Niño jedoch wieder für ungünstigere Wetterbedingungen sorgen. Außerdem leidet die Landwirtschaft unter den weiterhin hohen Preisen für Dünge- und Futtermittel.
Bild vergrößernErfolgreiche Erdöl-Probebohrungen im Oranjebecken vor der Küste Namibias machen die Kommerzialisierung der Offshore-Vorkommen immer wahrscheinlicher. Gleichwohl hat die namibische Regierung die Produktion von grünem Wasserstoff und Ammoniak als strategische Industrie aufgenommen. Geplant sind milliardenschwere Projekte, die nach 2025 für Wachstumsimpulse sorgen werden.
Teure Importe infolge von Lieferkettenunterbrechungen und weltweit hohe Zinsen stehen den positiven Wachstumsfaktoren gegenüber. Bis Ende 2023 ist mit einer Steigerung des Leitzinses der namibischen Zentralbank zu rechnen, was die ohnehin schwache Kreditvergabe für die heimische Wirtschaft weiter beeinträchtigt. Die für den namibischen Haushalt wichtigen Zolleinnahmen im Rahmen der Zoll- und Währungsunion SACU (Southern African Customs Union) bleiben niedrig.
Der Wachstumseinbruch im Lockdown-Jahr 2020 von real 8,1 Prozent ist Anfang 2023 noch nicht behoben. Wie viele afrikanische Staaten zahlt Namibia noch immer Tribut für die scharfen Lockdown-Maßnahmen mit ihren hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten.
Indikator | 2022 | 2023* | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
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BIP (nominal, Mrd. US$) | 12,6 | 13,4 | 3.867 |
BIP pro Kopf (US$) | 4.783 | 4.991 | 46.149 |
Bevölkerung (Mio.) | 2,6 | 2,7 | 84,3 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Namibia-Dollar (NAD)) | 16,4 | 17,1 | - |
Investitionen: Erholung nach schwerem Einbruch 2022
Die Bruttoanlageinvestitionen legen nach einem schweren Einbruch von real 10,7 Prozent 2022 im laufenden Jahr wieder zu (+2,6 Prozent). Für 2024 werden Steigerungen von rund 6 Prozent prognostiziert. Private Investitionen fließen vor allem in den Energiesektor und Bergbau. Die Spielräume der namibischen Regierung für Investitionen bleiben klein. Im Staatshaushalt 2023/24 sind 39,8 Prozent der Ausgaben für Personalkosten, 27 Prozent für Subventionen und 12,1 Prozent für die Schuldentilgung eingeplant. Für Investitionen sind 7,9 Prozent vorgesehen - rund 314 Millionen Euro.
Bei der Korruptionsbekämpfung hat Namibia den Nimbus eines Musterschülers verloren. Das Land ist jedoch weit von einer exzessiven Selbstbereicherung und dem Missmanagement der politischen Klasse entfernt, wie sie im benachbarten Südafrika zu beobachten sind. Doch sorgen Aussagen der namibischen Regierung zur Eigentumsbeteiligung des Staates oder gezielten Vorteilsgewährung der ehemals unterdrückten schwarzen Bevölkerungsmehrheit immer wieder für Verunsicherung.
Projektname | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung / Projektträger |
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Shell Graff-1 Well, TotalEnergies Venus-1X Well | k.A. | Exploration abgeschlossen | Shell Graff-1 Well: bis zu 1 Mrd. Barrel Erdöl und 6 Bio. Kubikfuß Erdgas / Shell, QatarEnergies, Namcor; TotalEnergies Venus-1x Well: bis zu 6 Bio. Kubikfuß Erdgas / TotalEnergies, QatarEnergies, Impact Oil and Gas |
Hyphen - Green Hydrogen and Ammonia Plant | 9.400 | Studie | Joint Venture zwischen Nicholas Holdings Ltd. und Enertrag für Wasserstoffprojekt in Tsau-ǁKhaeb-Nationalpark; 1. Phase: 2 GW auf Basis erneuerbarer Energie, 120.000 Jahrestonnen (Jato) Wasserstoff, 700.000 Jato Ammonium; 2. Phase: 5 GW auf Basis erneuerbarer Energie, 300.000 Jato Wasserstoff, 1.700.000 Jato Ammonium / Hyphen Hydrogen Energy |
Wasserkraftwerk Baynes Dam | 1.200 | Geplant | 600 MW; Vertrag zwischen namibischer und angolanischer Regierung vom März 2020; Baubeginn ursprünglich 2022 geplant / Nampower |
Kudu Gas Field Development Project | 1.000 | Studie | Offshore-Erschließung; Bau eines Kraftwerks mit 442,5 MW und 170 km Pipeline / Namcor, BW Offshore |
Grootfontein-Rundu-Katima Mulilo Railway Line | 540 | Studie | Machbarkeitsstudie abgeschlossen; Bahnverbindung (767 km) zwischen Zambesi-Region und Grootfontein / Ministry of Works and Transport |
Nampower - Kraftwerksprojekte | 438 | Geplant / Ausschreibung | Geplant: Gobabis Solar Power Plant (20 MW), Arandis Concentrated Solar Power Plant (120 MW); Präqualifikation: Otjikoto Biomass Power Station (40 MW); Ausschreibung: Rosh Pinah Solar PV (70 MW) / Nampower |
Sandpiper Marine Phosphate Project | 400 | Geplant | Ökologisch umstrittene Phosphatförderung vom Meeresgrund; Kapazität zunächst 3 Mio. Tonnen pro Jahr / Namibian Marine Phosphate |
Tumas Uranium Mine Development | 341 | Studie | Uranabbau und -verarbeitung; geplante Inbetriebnahme Dezember 2026 / Ministry of Mines and Energy |
Municipality of Otjiwarongo - Water Treatment and Waste to Energy Plant | 130 | Studie | Erweiterung einer Wasseraufbereitung im Rahmen eines privat-öffentlichen Vorhabens in Khomasdal (Khomas Region); Steigerung der Kapazität von 28 Mio. Liter pro Tag auf 55 Mio. Liter per Tag / Municipality of Otjiwarongo |
NamPower - Omburu Battery Energy Storage System | 60 | Präqualifikation | Batteriesystem mit Kapazität: 75 MWh / Nampower |
Konsum: Preisniveau entspannt sich langsam, Ungleichheit bleibt
Aufgrund der Entspannung 2023 und 2024 bei den Weltmarktpreisen für Nahrungsmittel und Treibstoffe ist mit einem moderaten Konsumwachstum zu rechnen. Ein schwacher namibischer Dollar und hohe Zinsen belasten weiterhin die Konsumenten. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von geschätzten 4.991 US-Dollar (US$) pro Kopf (2023) zählt Namibia zu den Ländern mit einem oberen mittleren Einkommen. Eine ausgeprägte Ungleichheit und hohe Armutsquote kennzeichnen jedoch das Flächenland.
Die soziale Frage und die ungleiche Wohlstandsverteilung ist in Namibia bei weitem nicht gelöst. Der namibische Staat wird die seit Corona verschärfte soziale Lage vor allem in den urbanen Gebieten abfedern müssen. In US-Dollar (US$) gemessen bleibt das Pro-Kopf-Einkommen 2023 voraussichtlich unterhalb des Werts von 2019. Dennoch sind die Einkommen nach Kaufkraftparität gestiegen. Hauptgründe hierfür sind gute Wetterbedingungen für die Landwirtschaft und eine bessere Selbstversorgung in den ländlichen Regionen nach 2019.
Außenhandel: Das hohe Leistungsbilanzdefizit geht zurück
Die globalen Preissteigerungen für Nahrungsmittel und Treibstoffe schwächen sich 2023 und 2024 ab, belasten aber weiterhin die Außenhandelsbilanz. Steigende Kapazitäten im Bergbau kommen wegen verhaltener Weltmarktpreise bis 2024 nicht ganz zum Tragen. Der für die Leistungsbilanz wichtige Tourismus hat sich erholt, wird aber nur leicht zulegen.
Der stetige Ausbau der Logistik schlägt sich positiv auf die Dienstleistungsbilanz nieder. Dagegen können die hohen Stromimporte nur schrittweise durch eine eigene Produktion reduziert werden.
Exporte aus der Herstellung von grünem Wasserstoff und der Erschließung von Erdölfeldern sind erst ab 2026 beziehungsweise 2027 zu erwarten. Die beiden neuen Wirtschaftszweige werden die Außenbilanz zunächst belasten. Die Gewinnrückführung und der hohe Bedarf an Industriedienstleistungen sind auf der Sollseite der Dienstleistungsbilanz zu verbuchen. Für die externe Schuldentilgung wendet Namibia 2023 hohe 12,3 Prozent des nationalen BIP auf (rund 1,7 Milliarden US$). Nach einem Leistungsbilanzdefizit 2022 von 13,4 Prozent des BIP liegt das Minus 2023 bei 6,5 Prozent und 2024 bei 5,5 Prozent.
2023* | 2024* | Veränderung 2024/23 | |
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Importe (cif) | 6,72 | 6,51 | -3,1 |
Exporte (fob) | 4,49 | 4,37 | -2,7 |